...gräbt er das Verbots-Schild aus und baut es da wieder auf, wo es ihn nicht stört.
Das vielleicht erschütterndste Minister-Statement des spektakulären Wochenendes (das man als Meilenstein auf dem Weg zum deutschen Präventionsstaat bezeichnen kann) ist im Wirbel um Dr. Wolfgang Schäubles Tötungsfantasien untergegangen. Der oberste Verfassungsschützer bekannte in einem Halbsatz, dass es für eine Große Koalition keine Schranken staatlichen Handelns geben muss:
SPIEGEL: Wäre es sechs Jahre nach den Anschlägen des 11. September und vor dem Hintergrund von Guantanamo nicht an der Zeit, dass der deutsche Innenminister sagt: Wir sind wachsam, aber eine bestimmte rote Linie werden wir nicht überschreiten, weil das unsere Gesellschaft unwiderruflich verändern würde?
Schäuble: Diese Frage kann ich nicht akzeptieren. Ich wünsche mir eine Diskussionskultur, wo es weniger hysterisch zugeht. Die rote Linie ist ganz einfach: Sie ist immer durch die Verfassung definiert, die man allerdings verändern kann. Ein Vorschlag, das Grundgesetz zu modifizieren, ist kein Anschlag auf die Verfassung. Für mich bedeutet die Stärkung des Präventivgedankens auch eine Stärkung der Verfassung, weil sie den Menschen Vertrauen gibt.
Schäubles offenes Bekenntnis zum Präventionsstaat überrascht nicht weiter. Die Ungerührtheit aber, mit der er das Grundgesetz und damit die Grundfeste unseres demokratischen Rechtsstaates der schwarz-roten Regierung verfügbar macht, ist erschreckend und abstoßend zugleich.
Ende 2006 stellte der Netzaktivist padeluun die These auf, eine Große Koalition sei an sich bereits eine Art Verfassungsbruch:
Diese Aussage lässt sich seit vergangenem Wochenende dahingehend zuspitzen, dass Deutschland keine Verfassungsbrüche mehr braucht, um seine demokratisch-rechtsstaatlichen Wurzeln zum Schutz von Volk und Staat ein wenig zurechtzustutzen. Nicht mal einen Reichspräsidenten brauchen wir heutzutage für dergleichen - das deutsche Parlament ist erwachsen geworden und kann das jetzt schon selbst.
Dass die Regierungskoalition im Bundesrat keine Zweidrittelmehrheit besitzt, ist gleichfalls nur ein Hindernis, das zur Seite geräumt werden kann - zumindest die FDP zeigt sich für strittige Gesetzesvorhaben bereits im Bundestag zustimmungsfreudig und lässt im Zweifelsfalls sicher auch in der Länderkammer mit sich reden.
Einzig gute Nachricht: Viel Zeit bleibt der Großen Koalition nicht mehr. Im Herbst 2009 wird gewählt, und spätestens Anfang 2008 dürfte die Profilierungssucht beider Seiten sprunghaft zunehmen. Vielleicht bricht die Koalition, bevor es Zypries, Schäuble und ihren Konsorten von der Stasi 2.0 gelingt, ein paar Grundrechte durch ein neues zu ersetzen: Das Grundrecht auf völlige Sicherheit.
"[Unter] Grundgesetzaushölung wird verschiedenes verstanden, des ischd wahr. Da wird zum, da wird wo-, sowohl verstanden des Verabschied, des, des Erlassen verfassungswidriger Gesetze, als auch die Erodierung in dem Süschdem sälbschd, weil die verfassungsrechtliche Entwicklung eben so ischd - aber da muss man jetzt dann schon faschd die die die die Grundgesetzexperten genauer befragen - [s]ich so entwickelt, dass eben unsere, oder meine, laienhafte Vorstellung, äh, dass, äh, das unser Grundgesetz so was ähnliches sei wie eine moderne Telefonanlage, des stimmt eben lange nicht mehr und deswegen braucht man da - wenn Sie wollen, kann der Herr Fromm das auch genauer erläutern, der versteht's, ein wenig; richtig verstehen tut er's wahrscheinlich auch net, denn das wär ja gar nicht gut, wenn der Präsident des Bundesamt' für Verfassungsschutz ein Verfassungsexperte wäre, nech? Des hat er auch seine Fachleute."